Nachtmahr - Mädchen in Uniform [Techno / Industrial / 2010]

Auch wenn wir es nicht wahrhaben wollen: Der Mensch stammt vom Affen ab. Gerade im Bereich der Musik kann man dies immer wieder schön wahrhaben. Da frönt ein vermeintlich anspruchsvolles, intellektuelles Wesen gerne und häufig möglichst avantgarden und experimentellen Klängen, doch am Wochenende beim Feiern in Gesellschaft? Verschwinden Fjoergyn und Konsorten plötzlich in den Tiefen des CD-Regals, wirken technisch brillante Klanglandschaften komischerweise herzlich deplatziert. Stattdessen im Trend: Harte, clubtaugliche Beats garniert mit provokant-posierende Uniformliebchen und veredelt durch kontroverse, grenzdebile Lyrik. Dass diese Mischung die Clubs zum Bersten bringen kann, beweisen nicht nur Frauenarzt mit ihrem „Discopogo“ zur Zeit – auch „Mädchen in Uniform“, der neuste Erguss aus der Feder von Nachtmahr, wird so manchen Liter schwarzen Schweiß vergießen.

Dabei ist es weniger relevant, wie viel Inhalt „Mädchen in Uniform“ als EP theoretisch bietet, praktisch viel interessanter ist, was Thomas Rainer aus dieser knappen Vorlage macht. Angefangen mit dem Titelsong einer unglaublich simplen Hommage an den Uniformfetisch, füllen Nachtmahr sowohl inhaltlich als auch umfangreich die Maße der EP bis an den Rand. Begeisterte der titelgebende Clubbrenner vor allem im Remix von Faderhead durch gute Stimmung bis zum Anschlag, zum Mitgröhlen prädestinierte Texte, einen fetten Beat und Porno-Samples der Marke „Warum liegt hier Stroh rum?“, so schlägt „Titanic“ in eine völlig andere Kerbe. Stilistisch am ehesten dem Future Pop zuzuordnen, fasziniert dieses Falco-Cover durch feine Kontraste von verzerrten Vocals zu weichen und eingängigen Synthies und entpuppt sich bereits ab dem ersten Durchgang als absoluter Ohrwurm. Weit weniger Vocals gibt es dagegen auf der zweiten B-Seite - „El Chupacabra“ - allerdings dafür um so mehr technoide Beats kombiniert mit englischen Samples und einer angenehm spanischen Grundstimmung. Your Ukulele makes me feel so hot ;)
War bis jetzt ausschließlich neues Material zu genießen, so graben Nachtmahr für die folgenden Nummern ein bisschen in ihrer „Alle Lust will Ewigkeit“-Nostalgie-Kiste und zaubern mit dem allseits abgefeierten „Tanzdikatator“ und dem düsteren „Mörder“ zwei absolute Perlen ihrer Kunst hervor. Für Neulinge im nachtmahr'schen Reich gibt’s diese im Original, Fortgeschrittenen wird eher zu den insgesamt sieben Neumischungen geraten. Hier haben sich unter anderem Feindflug, Modulate und Revolution by Night sehr gelungen an den Originalen versucht und bieten im Ergebnis erfrischend andere Perspektiven auf die Arbeit von Nachtmahr, die als vollwertige Alternativen zum Original bestehen können.

Genug der lobenden Worte, ehe ich hier rote Köpfe trotz weißer Schminke produziere. „Mädchen in Uniform“ zeigt Nachtmahr von seiner schönsten Seite, präsentiert sich zwar einerseits gewohnt grenzdebil, liefert aber gerade deswegen die perfekte Vorlage für durchtanzte Nächte. Zwar liest sich Immanuell Kant sicherlich anders – Thomas Rainer versteht man dagegen noch bei zwei Promille und Adrenalin bis zum Anschlag. Und das ist gut – nein perfekt so!

Tracklist:
01 Mädchen In Uniform
02 Mädchen In Uniform (Faderhead Remix)
03 Titanic
04 El Chupacabra
05 Tanzdiktator
06 Tanzdiktator (Modulate Remix)
07 Tanzdiktator (Revolution By Night Remix)
08 Tanzdiktator (Skinjob Remix)
09 Tanzdiktator (Yade Remix)
10 Mörder
11 Mörder (Feindflug Remix)
12 Mörder (C/A/T Remix)
13 Mörder (Symb10te Remix)

  (8/10)