Eine Promo kommt, ein Review folgt.
Strukturiert in Absätze, unterlegt mit essentiellen Informationen zum Künstler, verpackt in eine Wertung. Das Leben als Schreiberling verläuft in geordneten Bahnen. Am anderen Ende der Leitung sieht es allerdings nicht viel anders aus: Auch die Musiker bauen ihre Kompositionen häufig nach festen Grundsätzen, die einen Anhalt geben und dem Hörer obendrein das Verständnis erleichtern.
Kritisch wird es erst, wenn jede Form von Grundsätzen fehlt – wenn ein Künstler Neuland beschreitet, wenn er sich von sämtlichen Zwängen lossagt und die eigene Kreativität munter sprudeln lässt.
„Brutpop“, das erste Album von First Aid 4 Souls, ist eine Paradebeispiel für diese Situation. Mit etwas Geschick lassen sich sicherlich einige Kritikpunkte am Sound des ungarischen Electro-Fünfers ausmachen, doch fehlende Kreativität und Einzigartigkeit zu bemängeln, dürfte keinem noch so abgedrehten Schreiberling einfallen. Stattdessen wird der Hörer förmlich erschlagen von der Vielfalt an eigenen Gefühlen und Stimmungen, die auf ihn einprasseln. Ja, „Brutpop“ entwickelt ein Eigenleben, es pulsiert und windet sich und gibt nicht den Hauch einer Chance es zu verstehen. Die häufig psychedelische Atmosphäre zieht gleichzeitig in ihren Bann und stößt ab – normalisiert sich für kurze Augenblicke um kurz darauf, ob der Unwissenheit ihres Zuhörers lachend, tanzend abzudrehen. Tragend für diese Wirkung sind vor allem die unbeschreiblich vielfältigen Vocals. Ob verführerisch säuselnd oder völlig von allen irdischen Zwängen entbunden durch die Luft gleitend – First Aid 4 Souls erschaffen eine akustische Klanglandschaft wie sie nach meinem Wissen noch nie vergleichbar erbaut wurde. Eine Klanglandschaft, in der ein tanzbarer Beat den Rhythmus vorgibt und dabei von verschiedensten elektronischen Sounds, wie sie oftmals die klassische Vorstellung eines Drogenrausches wecken, umnebelt und becirct wird. Das Ergebnis mutet oftmals wie der Klang eines gehobeneren Electro-Clubs an, der mit dem Anspruch künstlerisch zu sein, zwischen Extacy-Pillen und Bier, den schrillsten Vögeln eine Plattform schafft.
Ist es nun Kunst? Ich habe mir viele Nächte mein hübsches Köpfchen zerbrochen, auf einen wirklichen Nenner bin ich dabei allerdings nicht gekommen. So viel steht auf jeden Fall fest: „Brutpop“ ist ein verdammt harter Brocken, der vor allem auf Grund der erotischen Vocals teilweise ähnlich genüsslich wie Sekt aus dem Bauchnabel einer schönen Frau prickelt, aber nicht selten das Gefühl erweckt, der verdrehten Vielfalt nicht gewachsen zu sein – mit seinen geistigen Schranken diese vollständige Freiheit, wie sie zum Beispiel „Circus Maximus“ ausstrahlt, nicht begreifen zu können. Zwar schafft es „Brutpop“ mit jedem Durchlauf neu zu fesseln, eine flammende Leidenschaft für dieses, im positiven Sinne kranke Werk, will sich allerdings nicht einstellen.
Ein Album, eine Wertung. Dass dieses Prinzip - so logisch wie es auch erscheinen mag - teilweise an seine Grenzen stößt, macht ein Album wie „Brutpop“ überdeutlich. Ist es nun eine zehn, ein fünf oder gar eine null? Von jedem ein bisschen würde ich sagen. Ich mache es mir einfach und bleibe bei einem schlichten „gut“, denn das sind First Aid 4 Souls auf jeden Fall. „Brutpop“ ist ein absolut einzigartiges Album und verdient rein aus Neugierde einen Höreindruck. Inwiefern mehr daraus wird, hängt sicherlich von der Fähigkeit eines einzelnen ab, sich in den verworren und psychedelischen Stimmungen wiederzufinden und einen Bezug zum eigenen Leben herzustellen. Ich bin dafür leider zu beschränkt, bereue allerdings trotzdem keine Sekunde, die mir „Brutpop“ ein völlig anderes Fühlen aufgezeigt hat.
Tracklist:
01. Before the Light
02. First Aid
03. Painkiller
04. Powa
05. Reconquista
06. Sui.Acid
07. The unborn Child
08. Wings of Morpheus
09. Hairy-(ass)ed (Hun Version)
10. Circus Maximus
11. Crime and Punishment
12. Robochan
13. The Wave