Progressive Metal ist eine Randerscheinung. Daran haben offensichtlich auch Bands wie Opeth oder Dream Theater nichts ändern können. Anders kann man es sich nicht erklären, dass erstklassige Acts wie die Jungs von Dryad's Tree auch ihre zweite EP in Eigenregie veröffentlichen müssen, während ein gewisser Independend-Riese Möchtegern-Zombies mit durchschnittlichem Talent im Sekundentakt signt. Erst vier Jahre jung, zählen die fünf Jungs aus München schon jetzt zur deutschen Speerspitze in Puncto Progressive Death Metal und das hartnäckig ohne Vertrag. Wenn sich daran allerdings nach „City of Eyes“ nichts ändern sollte, fress' ich ein ganzes Besenlager.
Gewählte Worte zu finden, die diese erhabene Scheibe angemessen kleiden, erscheint schier unmöglich, so sehr bezaubert „City of Eyes“ den Hörer von der ersten bis zur letzten Sekunde. Bereits ab den ersten Tönen des Openers wird klar: Das ist keine 08/15 Progressive Platte, ein großes Sammelsurium mehr oder weniger innovativer Ideen, ohne roten Faden aneinander gereiht, in verzweifelter Suche nach Ordnung progressiv getauft. Stattdessen ist es fast erschreckend, wie geordnet und logisch Dryad's Tree hier vorgehen. Jeder Übergang ist fließend, jedes Detail harmonisch, Ecken und Kanten sucht man vergebens. Trotzdem strotzen die Songs vor Ideenreichtum, können den Hörer auf so vielen verschiedenen Ebenen in ihren Bann ziehen. Es ist einfach ein harmonisches, melodisches Meisterwerk, was die fünf Münchener kreiert haben – eine CD zum Anhören, zum Träumen – eine CD, die zerfließt wie Seide. Orchestrale Arrangements schaffen fast schon bombastische Klangwelten vor deren Kulisse die Musiker ihre melodischen Death-Metal Kompositionen darbieten. Gekleidet in eine transparente, druckvolle und akzentuierte Produktion, wie sie nur wenige Bands auf sich selbst gestellt ihr Eigen nennen können, illustriert die facettenreiche, kraftvolle Stimme von Reinhard Klein die Bilder, die vor dem inneren Auge vorbeiziehen. Bilder dominiert von Überwachungskameras, gesichtslosen Menschen, hektischem Treiben in der zukünftigen Welt, blinkenden Bildschirmen. Bilder, die den Hörer über 30 Minuten voll in ihren Bann ziehen, ihn entführen auf eine Reise dorthin, wo wir uns vielleicht in einigen Jahren befinden werden.
Bilder, die „City of Eyes“ auch nach dem hundertsten Durchlauf noch zu einem musikalischem Erlebnis der Meisterklasse machen. Die Grenzen der EP sowohl umfangreich, als auch inhaltlich voll auslotend, bezaubern Dryad's Tree durch vier Kompositionen, wie sie an Vielfalt, Ideenreichtum und technischer Perfektion kaum zu überbieten sind. Ganz großes Kino!
Tracklist:
01. City of Eyes
02. The Swarm
03. Fading Sorrow
04. Ashes of Remembrance