"Für heute reicht's (Nimm Dir das Leben!)", "Wer bettelt wird nicht gefüttert" - Dementi lieben es zu polarisieren so viel wird spätestens nach einem Blick in die Discographie des Vierers aus Erfurt klar. Dass diese Polarisation sich keineswegs nur auf kontroverse Titel beschränkt, wird spätestens nach dem ersten Höreindruck offenbart. Eigentlich ein eindeutiges Ding, die Neue Deutsche Härte - leicht zugänglich, heavy as fuck und absolut live tauglich. Nicht so bei Dementi, nicht so auf "Wer bettelt wird nicht gefüttert", dem inzwischen dritten Album.
Dabei machen Dementi auf den ersten Blick wenig anders als ihre Genrekollegen von Rammstein, Eisbrecher, Oomph! und Co. , vielleicht abgesehen von der Tatsache, dass der Vierer aus Erfurt deutlich softer vorgeht. Trotzdem liegt „Wer bettelt...“ zuerst schwer im Magen. Wo Oomph! und Konsorten auf ein schnörkelloses, direktes Songwriting in den Strophen und große Aha-Momente in den Refrains setzen, kontern Dementi mit vielschichtigen Strophen und kaum ausdrucksstärkeren Refrains. Die Spannungskurven verlaufen entsprechend flach, entsprechend lange dauert es, bis die ersten Ohrwürmer durch die Gehörgänge kriechen. Das erweist sich allerdings nur auf dem ersten Blick als Griff ins Klo. Wenn „Monster“ (die letzte Oomph!) längst im wahrsten Sinne des Wortes ausgelutscht ist, legen Dementi erst langsam los. Stimmungsvolle Backing-Vocals, abstrakt elektronische Spielereien, die authentische mal melancholische, mal wütend (verzweifelte) Stimmung, die melodisch ausdrucksstarke Stimme von Sänger Nico – mit jedem Durchgang erschließt sich das Album ein Stück weiter, rücken andere Aspekte in den Fokus. Doch nicht nur die musikalische Seite weiß zu überzeugen, gar zu begeistern. Auch textlich brauchen Dementi sich keinen Deut hinter diesem Werk verstecken. Einen Spagat zu schlagen zwischen Anspruch, sprachlicher Eleganz und der simplen Form eines Songtextes und das Ganze zudem auf Deutsch, wo sogar Herbert aus Sido's Block verstehen kann, was der Alta gerade battelt. Das ist alles, nur nicht einfach, doch auch diese Herausforderung meistern Dementi durch intensive Metaphern und eine sehr bildhafte Sprache ohne dabei jedoch in hoch poetische, für den Leser nur noch interpretative, Sphären abzudriften. Abgerundet wird dieses rundum überzeugende Paket durch eine professionelle Produktion und zwei Features von Rig (Janus) und Amber. Zwar übernehmen diese beiden nur Aufgaben im Hintergrund, doch trägt gerade Amber's kristallklare Stimme auf „Ein Atemzug“ dazu bei, diese Ballade zu einem der vielen Höhepunkte zu machen. Über den völlig belanglosen Painbastard Remix als Bonus kann man da getrost hinwegsehen.
Niemand hatte sie auf der Rechnung und jetzt das. „Wer bettelt wird nicht gefüttert“ zelebriert die Neue Deutsche Härte, klingt jedoch zu keiner Zeit nach NDH in Reinkultur. Ein lebendiges, vielschichtiges Werk, welches Dementi auf jeden Fall einen Platz bei den heißesten Veröffentlichungen diesen Jahres sichern sollte.
Tracklist:
01. Intro
02. Dein Zweites Ich
03. Was hält mich hier
04. Die Finger deiner Hand
05. Der große Regen
06. Wer bettelt wird nicht gefüttert
07. Warten im Regen
08. Das Buch Feat. RIG
09. Der Krieger weint
10. Ein Atemzug Feat. Amber
11. Lügen
12. Mit einem Engel
13. Schweigen
14. Je schneller du rennst
15. Der große Regen Painbastard Remix