Ich lese sie immer unglaublich gerne - die Beipackzettel, der anpreisende Zusatz zu einer neuen CD. Da wird ganz tief in der Photokiste gekramt, jeder nur ansatzweise bedeutende Moment der Karriere ausgepackt und die Band zu einer heimlichen Größe der Szene stilisiert, auch wenn in der Regel de facto viel heimlich auf wenig Größe trifft. Nicht anders sieht es bei der neuen Mind Key aus - mit einem Unterschied: Während die großen Namen sich bei den meisten Bands noch selbst im Underground bewegen, können Mind Key mit echten Größen aufwarten. Dream Theater, Pendragon - beide immer für eine 9 oder 10 gut und, man glaubt es kaum, Mind Key standen mit ihnen auf einer Bühne. ;) Wieso Dominic, unser alter Prog-Fetischist, hier nicht sofort seine Finger drauf gehalten hat, entschließt sich mir nicht wirklich, doch sei's drum - so komme ich in den Genuss von "Pulse for a graveheart".
Genuss? - Genuss! Zwar sind Mind Key noch ein ganzes Stück von der Klasse ihrer Vorbilder entfernt, doch für einen zweiten Versuch kann sich dieses Album durchaus sehen und hören lassen. Mal weiche, mal abstrakte, mal post-moderne Keys, dazu harte und dennoch melodiöse Riffs, ein akzentuiertes Drumming und kräftig-maskuline Vocals - "Pulse for a graveheart" enthält so ziemlich alle Zutaten, die zu einer gelungenen Prog-Scheibe gehören. Entsprechend kling das Ergebnis. Die Balance aus Härte und Melodie wirkt ausgewogen, viele Tempowechsel lassen die Songs die typisch progressiv verschachtelte Struktur annehmen, wie sie die Fans lieben. Was bei einer durchschnittlichen Songlänge von über fünf Minuten dagegen leider fehlt, sind markante Punkte inmitten des Liedflusses, die den Hörer fesseln und Songs wie "Now until forever" auch nach sieben Minuten Spielzeit noch in ihren Bann ziehen. Stattdessen schleichen sich mit zunehmender Spielzeit immer mehr Längen ein, die "Pulse for a graveheart" eher zum Nebenbei-Hören geeignet machen. Bestes Beispiel dafür: "Citizen of Greed". Überzeugt die Nummer zu Beginn durch eine prägnante Melodieführung, so lutscht sich der Song mit zunehmender Länge, unnötigen Soli und zu oft wiederholten Parts immer weiter aus, bis der Griff zur "Skip-Taste" nicht weit ist. Mehr Kompaktheit, wie sie den Opener "Sunset Highway" auszeichnet, hätte den anderen Nummer wesentlich besser zu Gesicht gestanden.
Trotzdem ist "Pulse for a graveheart" ein gutes Album, welches viel Potential offenbart aber vor allem in Puncto Prägnanz noch ausbaufähig ist. Wer also mit der neuen Dream Theater noch nicht genügend Beschäftigung für die nächsten Wochen und Monate hat, sollte hier durchaus ein Ohr riskieren.
Tracklist:
01. Sunset Highway
02. The Seventh Seal
03. Citizen Of Greed
04. Crusted Memories
05. Dead Fame Hunter
06. Ventotene (The Island)
07. Graveheart
08. Eye Of A Stranger
09. Now Until Forever
10. A New Generation