Eine turbulente letzte Zeit neigt sich für Doro Pesch dem Ende zu. Das soll nicht heißen, dass die gute Dame vor hat, ihre Finger in Zukunft aus dem Heavy Metal Geschäft zu lassen. Vielmehr denke ich, dass sogar ein Rockstar irgendwann eine Pause fernab von Rock'n'Roll, Bier und Zigarettenrauch nötig hat. Diese hat sich Doro nach den beiden Singles „Herzblut“ und „Celebrate / The night of the warlock“, sowie dem mehr als erfolgreichen Jubiläums-Konzert mehr als verdient. Doch halt! - Ein Schritt fehlt noch: Das neue Album „Fear no evil“. Morgen ist es endlich so weit und die Regale von Media Markt und Konsorten werden reichlich gefüllt sein – bereit den Ansturm von lang haarigen Kuttenträgern auszuhalten. Wer noch seine Finanzen prüft oder sich den Mund wässrig machen will, der ist hier an der richtigen Stelle.
Denn trotz Finanzkrise ist dieses Album jeden Pfennig wert und dürfte Liebhaber des Genres mehr als zufrieden stellen. Von schleppenden, treibenden, true-metallischen Nummern in bester Warlock-Tradition ( siehe „The Night of the Warlock“ ), über Balladen im typischen Doro-Stil ( „Herzblut“ ) bis hin zu Ausflügen in schnellere Gefilde ( „ Caught in a battle“ ) dürfte für jeden Fan von Doro in ihren verschiedensten Facetten etwas dabei sein.
Dabei entdeckt sich die Grande Dame des Heavy Metals in keinster Weise neu. Dies hätte sie allerdings auch nicht nötig: Doro hat längst ihren Platz und ihren unverwechselbaren Stil in der Szene gefunden und von dort feilt sie nur noch an den Feinheiten und serviert dem Hörer sonst das, was er hören will: Guten, alten Heavy Metal. Dass Doro sich diese Position erkämpft hat, liegt zu nicht unbedeutenden Teilen an ihrem Gesang. Hier haben wir es nicht mit einer Sängerin von „Deutschland sucht den Superstar“ zu tun, welche so glatt und perfekt klingt, dass – Entschuldigung – mir nur noch die kalte Kotze hoch kommt. Stattdessen verzaubert Doro durch ihre raue, charakteristische Stimme, welche von ihren vereinzelten Eckchen lebt – eine Stimme, die, gezeichnet vom Rocker-Dasein, nichts von ihrer natürlichen Schönheit eingebüßt hat und eben nicht auf Teufel-komm-raus im Studio nach bearbeitet wurde.
Da brauchen wir keine komplexen Texte, die man dreht und wendet, um letzten Endes festzustellen, nichts verstanden zu haben; wir brauchen keine progressiven Songstrukturen, die nur unnötige Verständnisprobleme mit sich bringen; alles, was wir brauchen, sind Gitarren, die durch den morgendlichen Nebel nach durchzechter Nacht wabbern, ein treibendes Schlagzeug und eine solch individuelle Stimme und schon ist sie da – die Magie und dieses Gefühl von Heavy Metal. Gleich zu Beginn von „The Night of the Warlock“ ist dieses Feeling wieder da und hat mich ohne Ausfälle durch die gesamte CD bis zu dem gelungenen Rausschmeißer „25 Years“ begleitet. „25 Years“ ist übrigens keine „vollwertige“ Nummer, sondern viel mehr ein musikalisches Danke-Schön an die Fans.
„Fear no evil“ ist keine Neuentdeckung des Rades – weder aus Doro-discographischer Sicht noch gesamtmetallisch. Stattdessen stellt besagtes Album eine geschickte Symbiose aus alt Hergebrachtem und Bewährtem mit modernen Einflüssen dar. Im Grunde erweitert Doro ihre Discographie nahtlos um ein weiteres Kapitel und schafft mit „Fear no evil“ ein Album, dass ich jedem Heavy / True Metal Liebhaber ans Herz legen möchte.
Wer vorher dennoch antesten möchte, der möge mit „ I Lay My Head Upon My Sword“ oder „On the Run“ beginnen – meinen beiden Favoriten auf dieser CD. Im Grunde könnt und solltet ihr jedoch jede Nummer an testen, da jede durch eigenen Stil und Stimmung auf eine besondere Art geprägt ist.
Trotz 25 Jahre Bandgeschichte strotzt dieses Album vor Facettenreichtum – da kann's eigentlich nur gut weiter in Richtung 50 gehen. Ich freu mich drauf!