Ich würde wetten, dass viele wenn sie den Albumtitel lesen erstmal an Harry Potter denken, auch wenn es wohl kaum einer zugibt. Aber ich kann all diejenigen beruhigen, die neuste CD der Schweizer hat mit Harry Potter in etwa so viel zu tun wie ein Haufen Dreck mit einer Heizung. Trotzdem gibt es ein Konzept, nämlich Obskuritäten in der Zeit von 1850 bis 1920.
So etwas wie einem hier geboten wird hab ich noch nie gehört. Unglaublich brutaler Death Metal mit Growls aus der tiefsten Magengegend, angereichert mit zahlreichen Jazz-Elementen und etwas Elektronika. Zwischen absolut flashenden Riffs finden sich immer wieder kleine verworrene Melodien, Slap-Bass-Solos und abgedrehte Drumpatterns. Schon nach den ersten beiden Lieder "The Hanged Man" und "Nautilus" hat man so viele verschiedene Impressionen, dass man die erstmal verarbeiten müsste um alle Facetten zu finden, aber man ist so gefesselt von der Musik, dass man praktisch ohne Pause weiterhören muss. Zeit zum verarbeiten bleibt hier keine, denn ständig wird man von neuen versteckten Arrangements überrumpelt. Seien das nun Gitarrensoli oder einfach nur eine zu laute Bass-Saite, Synthesizer-Hintergrund oder einfach nur eine kurze Schlagzeugpause. Das mag nun alles etwas unstrukturiert klingen, trotzdem hat man das Gefühl, jedes Geräusch muss genau an diesem Platz stehen, wäre dies nicht so, würde der Song nicht funktionieren. "Beasthunter" erinnert stark an neuere Behemoth-Werke, wären da nicht auf einmal diese grindcorelastigen Pig-Grunts des Sängers und das Grindcore-Outro - ein weiteres Beispiel für den Facettenreichtum. In der Mitte des Albums findet sich das fast neunminütige "The Green Fairy", welches sich mit einem der schönsten Sachen in der oben angesprochenen Zeit befasst, dem Absinth (Kenner wissen, was es mit der grünen Fee auf sich hat). Hier wird mal wieder besonders viel experimentiert, nachdem die Lieder vorher eher an gewöhnlichen Death erinnern. Nach drei Minuten setzt Bass-Solo ein, dass von dem Sound her etwas an Pink Floyd erinnert, aufgelockert wird das ganze durch lockeres, aber anspruchsvolles Drumming. Man kann den Absinth-Rausch praktisch hören. Wenn schließlich eine Akkustik-Gitarre, begeleitet von dezenten Klaviertönen, das Solo übernimmt fühlt man sich endgültig in eine andere Welt versetzt. Genauso abwechslungsreich geht es in dem Stück noch weiter, aber ich möchte nicht zu viel davon verraten. Mit "Metropolis" nimmt die CD dann ein elfminütiges, vollkommen abgedrehtes Ende, in dem nochmals zig Elemente verwurstet werden und auf alle möglichen Instrumente zurückgegriffen wird. Wer die CD danach noch neun Minuten laufen lässt, darf sich auf einen französischsprachigen Hiddentrack freuen.
Enigmatik haben ein sehr anstrengendes, aber dafür mindestens genauso interessantes Werk gezaubert. Einmal anhören reicht hier definitiv nicht, da so viele versteckte Elemente zu finden sind, dass einem mit Sicherheit auch nach zig Durchläufen noch nicht langweilig ist.
Tracklist:
01. The Hanged Man
02. Nautilus
03. Beasthunter
04. Let the Brother Receive the Light
05. Laudanum
06. Dark Age of Reason
07. The Green Fairy
08. The Ghost of William Blake
09. Fata Morgana
10. The Nucleus of the Spheres
11. Pallas Athena
12. Metropolis